Lehrstuhlspecial: Der Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme (EES)

Prof. Luther vom EES (Bild: FAU)
Prof. Luther vom EES (Bild: FAU)

In unserem Lehrstuhlspecial stellen wir in jeder Ausgabe unseres Newsletters einen der Lehrstühle unseres Departments und den jeweiligen Lehrstuhlinhaber vor. In der vorlesungsfreien Zeit haben wir Prof. Matthias Luther vom Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme (EES) für ein Interview besucht.

 

Kurzinfo:

Name: Matthias Luther

Lehrstuhl: Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme (EES)

Forschungsgebiet: Elektrische Energieversorgungssysteme

 

Lieber Herr Luther, könnten Sie uns etwas über sich erzählen? Wie sind Sie zur Elektrotechnik gekommen?

Zur Elektrotechnik bin ich über meinen Vater gekommen, der ein sehr guter Handwerker und gelernter Elektroinstallateur war. Er hat bei mir schon früh das Interesse an technischen Zusammenhängen gefördert. Und das waren Dinge, die immer wieder mit Strom zu tun hatten. Später in der Schule habe ich dann ein großes Interesse für die Physik entwickelt. Das ging so weit, dass ich eigentlich mal Astrophysik studieren wollte. Die Unendlichkeit des Universums ist für mich bis heute ein faszinierendes Forschungsgebiet.

 

Am Ende wurde es aber doch kein Studium in der Astrophysik?

Richtig. Ich habe an der TU Braunschweig Elektrotechnik mit der Fachrichtung „Elektrische Energietechnik“ studiert und nach dem Abschluss als Diplomingenieur dort auf dem Gebiet der Schaltgerätetechnik promoviert.

Nach der Promotion habe ich mich für den Einstieg in die Energiewirtschaft entschieden. Dort war ich insgesamt 18 Jahre bei den Vorgänger- und Nachfolgeunternehmen von E.ON in verschiedenen Bereichen und leitenden Funktionen tätig. Begonnen habe ich 1993 als Netzplanungsingenieur. Seit dieser Zeit habe ich mich im wesentlich mit elektrischen Netzen – und hier vorrangig mit der Netzplanung und dem Netzbetrieb – beschäftigt.

Die Zeit um die Jahrtausendwende waren für mich prägend für die „elektrische Energiewende“ in Deutschland und Europa. In dieser Zeit habe ich mich sehr intensiv mit der Integration der Windenergie in Norddeutschland beschäftigt. Das waren wichtige Erfahrungen, die ich immer mal wieder abrufe. Einen Großteil meiner Arbeit in der Energiewirtschaft hat dann konsequenterweise auch die europäische Netzentwicklung eingenommen. Von 2004 bis 2008 war ich für den früheren Verband der kontinentaleuropäischen Übertragungsnetzbetreiber – Union for the Transmission of Electricity (UCTE) – in Brüssel tätig. Auch das war eine spannende Zeit, in der ich viel internationale Erfahrung sammeln konnte und nicht zuletzt gelernt habe, wie das Geschäft in der EU-Metropole funktioniert.

 

Könnten Sie uns Ihren Weg aus der Privatwirtschaft an die FAU beschreiben?

Während der letzten Jahre in der Energiewirtschaft habe ich mich dann – ehrlich gesagt ohne Not – mal umgesehen, was man zukünftig noch so machen kann. Dann bin ich dem Angebot der FAU gefolgt und wurde Anfang April 2011 zum Lehrstuhlinhaber an unsere Universität berufen.

 

Für diejenigen, die unsere Lehrstühle noch nicht so gut kennen – könnten Sie uns den Lehrstuhl etwas näher beschreiben?

Der EES wurde zunächst auf der grünen Wiese gegründet und im April 2011 haben wir unsere neuen Räume im Röthelheim-Campus bezogen. Nach der Pensionierung von Professor Gerhard Herold habe ich dann zusätzlich die Leitung seines Lehrstuhls für Elektrische Energieversorgung übernommen. In den Folgejahren haben wir dann beide Einheiten zusammengeführt und strategisch neu ausgerichtet. Parallel haben wir unsere heutigen Standorte im Südcampus und am Energie-Campus Nürnberg (EnCN) um- und ausgebaut und schließlich unseren Standort im Röthelheim-Campus aufgelöst. Insgesamt hat die Neuausrichtung also einige Jahre gedauert. Dennoch sind wir dankbar, dass wir letztlich die Einrichtungen und Labore erschließen konnten, die wir für unsere Forschung benötigen. Und die haben wir natürlich stetig ausgebaut.

An unserem Lehrstuhl sind aktuell etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt. Das ist eine schlagkräftige Einheit und optimale Größe bei unserer derzeitigen Organisationsstruktur. Neben 20 Wissenschaftlern können wir uns auf einen Stamm von Technikern und Assistentinnen stützen, die alle einen hervorragenden Job machen. Wenn man an zwei Standorten tätig ist, erfordert das neben mehr Eigenverantwortung und Flexibilität auch einen guten Teamgeist unter allen Beteiligten. Ich freue mich jeden Tag aufs Neue, zu sehen, wie erfolgreich das bei uns funktioniert.

 

Wie sieht denn Ihr typischer Arbeitsalltag als Lehrstuhlinhaber aus?

Einen typischen Arbeitstag gibt es für mich eigentlich nicht – eher ein Saisongeschäft, je nachdem ob wir uns im Semester oder der vorlesungsfreien Zeit befinden. In der Vorlesungszeit steht die Lehre selbstverständlich an oberster Stelle. In der vorlesungsfreien Zeit kann man dann schon öfter mal verreisen, um auch in der Community in Fachgremien entsprechend präsent zu sein.

Ansonsten sind meine Aufgaben als Institutsleiter sehr breit gefächert und verlangen ein gewisses Maß an Flexibilität. Neben der Forschung und der Lehre gibt es verschiedene Aufgaben in der universitären Verwaltungs-und Gremienarbeit zu übernehmen. Das ist zum Teil sehr zeitintensiv und hier gibt es aus meiner Sicht erheblichen Veränderungsbedarf.

Insgesamt ist es mir aber sehr wichtig, genügend Zeit für studentische Angelegenheiten und nicht zuletzt für unsere Lehrstuhlangehörigen zur Verfügung haben. Wie gesagt: Ein Team ist nur dann erfolgreich, wenn man sich dafür auch entsprechend engagiert.

 

Was ist denn ein Schwerpunkt der Forschung am Lehrstuhl?

Unsere Forschung zielt in allen Belangen auf die Herausforderungen der Energiewende und den sukzessiven Umbau der elektrischen Energieversorgung ab. Wir sind hoch motiviert und freuen uns, die Zukunft unserer Stromversorgung mitgestalten zu können. Im Kern geht es ja darum, den fortschreitenden Klimawandel zu begrenzen.

Im Zentrum unserer Forschungsarbeiten steht die Auslegung und der Betrieb elektrischer Netze aller Spannungsebenen und unterschiedlicher Netzstrukturen. Elektrische Netze sind das Rückgrat unserer Stromversorgung und das wird auch immer so bleiben. Andererseits bilden Netze, Kraftwerke, Umrichter und Speichersysteme neue komplexe Systeme, deren Interoperabilität es zu erforschen gilt. Hierzu vielleicht ein Beispiel: Wenn wir unsere Stromerzeugung von thermischen Großkraftwerken auf ortsgebundene und wetterabhängige regenerative Energieanlagen, also Photovoltaik- und Windenergieanlagen, umstellen, entstehen bei Netzfehlern neue Ausgleichvorgänge, die beispielsweise neue Betriebsmittel und/oder neue Regelkonzepte für das elektrische Netz nach sich ziehen. Unsere Aufgabe besteht dann darin, innovative Maßnahmen zu entwickeln und zu implementieren, um das gestörte System wieder in einen stabilen Betriebszustand zurückzubringen.

 

Braucht es dazu eine spezielle Ausstattung am Lehrstuhl?

Unsere Forschungsarbeiten basieren auf der Kombination von Simulationen und experimentellen Untersuchungen in verschiedenen Netzlaboren, d.h. wir verifizieren unsere Simulationsmodelle immer wieder an der Realität. Zusätzlich betreiben wir ein Hochspannungsprüffeld und eine Hochstromanlage, um die Grenzen von Betriebsmittel zu untersuchen und beispielsweise neue, umweltverträgliche Isoliermaterialien zu testen und in Richtung Nachhaltigkeit weiter zu entwickeln.

 

Wie spannend! Zu welchem Zeitpunkt im Studium kommt man denn mit dem Lehrstuhl in Kontakt? Und welche Studiengänge sind besonders häufig am Lehrstuhl vertreten?

Für die meisten unserer Studierenden erfolgt der erste Kontakt im Zuge unserer Lehrveranstaltung „Grundlagen der Elektrischen Energieversorgung“ im 4. Semester der Bachelorstudiengänge. Dies ist eine Pflichtveranstaltung für alle Studierenden der Elektrotechnik, Energietechnik, Berufspädagogik Technik und des Wirtschaftsingenieurwesens (Elektrotechnik). Bei der Gelegenheit darf ich anmerken, dass wir in jüngster Zeit immer öfter das Feedback von Studierenden bekommen, die Energietechnik in der Grundlagenlehre breiter zu verankern. Ich teile diese Auffassung und denke, hier gibt es Handlungsbedarf.

Es ist mir eine Herzensangelegenheit, unsere Studierenden am Puls der Zeit auszubilden. Denn sie sind zukünftig in der Verantwortung, den weiteren Umbau unserer Energieversorgung voranzutreiben. Matthias Luther

Ansonsten bietet unser Lehrstuhl ein breites Angebot an Bachelor- und Masterstudierende der FAU, ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der elektrischen Energietechnik zu vertiefen. Für die Masterstudierenden der Studienrichtung Energie- und Antriebstechnik im Master Elektrotechnik haben wir von den beteiligten Lehrstühlen das umfangreichste Angebot.

Ich denke, dass die Studierenden, die sich mehrheitlich für unser Angebot entscheiden und an unserem Lehrstuhl ggf. auch ihre studentischen Arbeiten anfertigen, sehr gut auf den Berufseinstieg vorbereitet sind. Hierzu trägt natürlich auch unsere enge Kooperation mit der Energiewirtschaft, Netzbetreibern und Industrieunternehmen bei. Für den weiteren Bezug zur Praxis sorgen auch unsere externen Lehrbeauftragten, bei denen es sich ausnahmslos um renommierte Fachleute handelt.

 

Lieber Herr Luther, vielen Dank für das interessante Interview!