#Forschungsspecial: Sebastian Lotter und die Molekulare Kommunikation

Porträt von Sebastian Lotter
Sebastian Lotter (Bild: FAU / IDC)

Mit #Forschungsspecial bieten wir Doktorandinnen und Doktoranden unseres Departments die Möglichkeit, ihre Forschungsthemen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Wir sind sehr stolz auf die überwältigende Resonanz!

Den Auftakt unserer Reihe macht Sebastian Lotter vom Lehrstuhl für Digitale Übertragung (IDC). Er erforscht den Bereich der „Molekularen Kommunikation“ .

 

Kurzinfo:

Name: Sebastian Lotter

Lehrstuhl: Lehrstuhl für Digitale Übertragung (IDC)

Forschungsgebiet: Molekulare Kommunikation

 

Herr Lotter, bevor wir in die Forschungsarbeit gehen, können Sie uns ein bisschen was über sich erzählen? Haben Sie vorher schon an der FAU studiert?

Sebastian Lotter:  Ich habe in Osnabrück im Bachelor „Angewandte Systemwissenschaft“ studiert und später dann an der FAU „Advanced Signal Processing & Communications Engineering“ im Master. Im Bachelor ging es hauptsächlich um die Modellierung und Simulation dynamischer Systeme. Darunter versteht man physikalische Systeme wie Brücken oder Stoßdämpfer, aber auch komplexe Mensch-Umwelt-Systeme. Im Master habe ich mich dann vor allem auf die Nachrichtentechnik konzentriert.

Und dann ging es gleich an die Promotionsarbeit?

Sebastian Lotter: Jein (lacht). Nach meinem Bachelorabschluss hatte ich erstmal genug von der Uni und habe mehrere Jahre in der Software-Industrie gearbeitet, zuerst für einen Datenbankhersteller, dann für ein kleines Start-Up. Im Start-Up haben wir digitale Lösungen für Transparenz im Fischfang und -handel entwickelt. Das Ziel war, nachvollziehbar zu machen, woher der Fisch kommt, mit welcher Methode er gefangen wurde, usw., und das als Kunde am besten direkt mit dem Smartphone am Supermarktregal. Zum IDC bin ich während meines Masters gekommen. Aus dem Fächerangebot des Masters haben mich hauptsächlich die Nachrichtentechnik-Inhalte interessiert und diese Fächer werden am IDC unterrichtet.

Um was genau geht es denn bei Ihrer Forschung?

Sebastian Lotter: Auf mein Thema bin ich während eines Forschungspraktikums und der daran anschließenden Masterarbeit gekommen. Ich erforsche die Übertragung von Information zwischen Nervenzellen mittels Neurotransmittern. Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe die von Nervenzellen ausgeschüttet werden um anderen Nervenzellen bestimmte Informationen zu übermitteln. Diesen Vorgang nennt man auch synaptische Kommunikation. Ganz konkret versuche ich zu verstehen, welche Bedingungen kritisch dafür sind, dass synaptische Kommunikation zuverlässig und effizient funktioniert. Wie wichtig ist es beispielsweise, dass Neurotransmitter nach der Ausschüttung zügig wieder abgebaut werden? Wie beeinflussen umliegende Zellen (nicht-Nervenzellen) die synaptische Kommunikation? Welche Auswirkungen hat es, wenn der Wiederaufnahmemechanismus für Neurotransmitter gestört ist?

Das klingt aber doch mehr nach Biologie als nach Elektrotechnik?

Sebastian Lotter: Ja, bei dem Thema wundert man sich vermutlich erstmal was es bei der E-Technik zu suchen hat. Der Grund dafür ist, dass wir am IDC Methoden der klassischen Nachrichtentechnik (auch) für die Erforschung biochemischer Informationsübertragung nutzen, wie sie in der Natur zu Hauf vorkommt. Auf diese Weise können wir die nachrichtentechnischen Tricks und Kniffe der Natur hoffentlich irgendwann kopieren und für unsere eigenen Anwendungen nutzen. Diese sogenannte „Molekulare Kommunikation“ ist vor allem für die Nachrichtenübertragung im Nanobereich und in Umgebungen wie dem menschlichen Körper interessant, weil Funkverbindungen, wie wir sie beispielsweise im Mobilfunk verwenden, dort nicht umsetzbar sind. Wer sich für das Thema interessiert, findet auf der Webseite des IDC Informationen und weiterführende Links.

 

Die Synapse ist über Jahrtausende soweit gereift, dass sie ihren Zweck perfekt erfüllt. Es fasziniert mich, von diesem System ständig Neues zu lernen und es unter der ingenieurswissenschaftlichen Lupe zu betrachten.Sebastian Lotter

 

Könnten Sie den Bezug zwischen Ihrem Forschungsthema und der Alltagswelt vielleicht noch einmal genauer erläutern?

Sebastian Lotter: Gerne! In unserem Gehirn und auch im peripheren Nervensystem werden ständig Neurotransmitter ausgeschüttet und so Informationen übertragen. Jede Sinneswahrnehmung führt zur Ausschüttung von Neurotransmittern und für jede Muskelbewegung werden Neurotransmitter ausgeschüttet. Molekulare Kommunikation ist in der Natur allgegenwärtig, auch außerhalb der Synapse. Bakterien verwenden molekulare Signale, um ihr Verhalten untereinander abzustimmen. Pflanzen signalisieren einander Gefahr – bspw. im Fall eines Waldbrandes – , indem sie chemische Botenstoffe ausstoßen. Die Menge an Information über unsere Umwelt aber auch über uns selbst, die in Form molekularer Signale vorliegt, ist immens. Ich hoffe, dass die Ergebnisse meiner Arbeit irgendwann dazu beitragen, diese Signale besser entschlüsseln und nutzen zu können.

Wie muss ich mir als Laie denn die Arbeit an solch einem Forschungsthema vorstellen?

Sebastian Lotter: Zu allererst muss man sich einen guten Überblick über die etablierten Grundlagen und den aktuellen Stand der Forschung verschaffen. Bei einem interdisziplinären Forschungsthema wie dem meinen muss man zusätzlich herausfinden, wie dieselben Dinge in verschiedenen Fachsprachen heißen, und sich in die Literatur der relevanten Fachgebiete einlesen. Wenn man dann eine interessante neue Fragestellung identifiziert hat, überlegt man, wie man diese angehen könnte. Hier hilft oft die Diskussion mit dem Betreuer und den Kolleginnen und Kollegen weiter. Das ist eine spannende Phase, weil man zugleich Neuland beschreitet und dabei aber auch von der Erfahrung der anderen profitiert. Man braucht natürlich auch eine gewisse Frustrationstoleranz. Wenn das Problem einfach zu lösen wäre, hätte es ja wahrscheinlich schon jemand anderes gelöst (lacht). Hat man dann irgendwann genug Erkenntnisse gewonnen, muss man das Material noch so aufbereiten, dass auch jemand, der nicht so tief im Thema steckt wie man selbst, davon profitieren kann.

Und wie sieht so die typische Doktorandenwoche aus? Kann man das überhaupt generalisieren?

Sebastian Lotter: Das ist vermutlich ziemlich individuell. Sicherlich ist es eine der nicht-fachlichen Herausforderungen während der Promotion, die verfügbare Zeit selbstständig sinnvoll einzuteilen. Die meisten Doktoranden, die ich kenne (einschließlich mir) verwenden einen Teil ihrer Zeit auf Lehre bzw. die Betreuung von Studierenden, zum Beispiel im Rahmen von Forschungspraktika, Abschlussarbeiten oder HiWi-Stellen. In der verbleibenden Zeit diskutiert man dann mit den Kollegen oder seinem Betreuer, liest Papers oder auch mal ein Buch quer und schreibt an Veröffentlichungen.

Vielen Dank für den spannenden Einblick in die Welt der Molekularen Kommunikation und herzlichen Dank für das Interview!