Lehrstuhl-Special: Der Lehrstuhl für Multimediakommunikation und Signalverarbeitung (LMS)

Prof. André Kaup (Foto: Peter Kraus)
Prof. André Kaup (Foto: Peter Kraus)

In unserem Lehrstuhlspecial stellen wir in jeder Ausgabe unseres Newsletters einen der Lehrstühle unseres Departments und den jeweiligen Lehrstuhlinhaber vor. Zum Abschluss des Jahres 2022 machen wir einen Abstecher in die Informationstechnik und sprechen mit Prof. Kaup, Inhaber des Lehrstuhls für Multimediakommunikation und Signalverarbeitung.

Kurzinfo:

Name: André Kaup

Lehrstuhl: Lehrstuhl für Multimediakommunikation und Signalverarbeitung

Forschungsgebiet:  Bild- und Videosignalverarbeitung, Codierung von Bild- und Videodaten sowie Multimediakommunikation

 

Lieber Herr Kaup, bevor wir uns dem Lehrstuhl und der Forschung widmen – erzählen Sie uns doch bitte etwas über sich! Ihre akademischen Wurzeln liegen in Aachen, richtig?

Ja, ich habe Elektrotechnik an der RWTH Aachen mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes studiert und mich im Verlaufe des Studiums auf die Nachrichtentechnik fokussiert, ganz wesentlich motiviert durch die hervorragenden Vorlesungen von Professor Lüke zu diesem Thema. Er hat mich auch überzeugt, nach dem Studium als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut für Elektrische Nachrichtentechnik zu gehen und damit ein gleichzeitiges Stipendienangebot für einen MBA am Imperial College in London abzulehnen. Am Institut für Nachrichtentechnik habe ich mich mit regionenorientierter Bildverarbeitung befasst, einem damals völlig neuartigen Konzept, bei dem Bilder nicht als Menge von Bildpunkten, sondern als Collage von semantischen Bildobjekten interpretiert werden.

 

Wie genau ging es nach der Promotion weiter?

Nach der Promotion bin ich als Projektleiter in die Zentralabteilung Technik bei Siemens in München gewechselt. Dort war ich zunächst mehrere Jahre in der internationalen Standardisierung bei MPEG aktiv. Während dieser Zeit habe ich mehrere neue Verfahren zur effizienten Videocodierung entwickelt, die jeweils als Patent angemeldet und dann von mir in die Standardisierung eingebracht und dort verteidigt wurden. Diese Arbeit war ungemein spannend und mit vielen Reisen rund um den Globus verbunden. Gleichzeitig konnte ich so ein weltweites Netzwerk an persönlichen Kontakten knüpfen, welche zum großen Teil heute noch bestehen.

Später habe ich die Entwicklung von mobilen Applikationen und Diensten in der Zentralabteilung Technik geleitet, bei der wir innovative Konzepte für die damals aufkommende mobile Datenkommunikation entwickelt haben. Aus dieser Zeit stammt beispielsweise die Idee, ein Mobiltelefon mit einer Digitalkamera provisorisch per Gummiband und Kabel zu verbinden, um ein Bild sofort an jemanden irgendwo in der Welt übertragen zu können. Die meisten unserer Kollegen aus dem Geschäftsbereich haben diese Idee für völlig abwegig gehalten, da Bilder damals nur im heimischen Fotoalbum archiviert werden. Heute teilen Jugendliche selbstverständlich Bilder und Videos mit Ihrem Smartphone in sozialen Netzen, das entsprechende Patent ist inzwischen ausgelaufen.

Parallel zu meiner Tätigkeit in der Industrie hatte ich einen Lehrauftrag an der TU München und nach einiger Zeit habe ich gemerkt, dass die Lehre mir mehr Spaß macht als die Erstellung von Businessplänen. Nach der Ablehnung von einigen Rufen habe ich mich dann dazu entschieden, ein Angebot auf den Lehrstuhl für Nachrichtentechnik an der Technischen Fakultät der FAU anzunehmen.

 

Also hieß der Lehrstuhl damals noch ganz anders?

Genau. Den Lehrstuhl für Nachrichtentechnik gibt es bereits seit der Gründung der Technischen Fakultät, wir haben ihn jedoch im Rahmen meiner Berufung in Lehrstuhl für Multimediakommunikation und Signalverarbeitung umbenannt, da dieser Name unsere Forschungs- und Lehrthemen besser abbildet. Der Begriff Multimediakommunikation spiegelt dabei unsere wesentliche Anwendungsdomäne wider, denn viele unserer Forschungen haben zum Ziel, die Kommunikation mittels Sprache, Audio, Bild und Video zu erforschen und zu verbessern. Das Wort Signalverarbeitung deutet auf den methodischen Ansatz hin, denn Multimedia besteht letztlich aus physikalischen Signalen, die für eine Kommunikation verarbeitet werden müssen.

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Forschungsarbeiten am Lehrstuhl ist die Videokommunikation. Hier interessieren wir uns für alle Aspekte der Übertragung von Bild- und Videoinformation, angefangen bei der intelligenten Bildaufnahme, über die effiziente Kompression von Video- und 360-Grad-Panoramadaten bis hin zur empfängerseitigen Analyse von Videodaten oder Punktwolken. Video ist heute aus dem Alltag der Menschen nicht mehr wegzudenken, eine Kernkomponente moderner Kommunikation und ein menschliches Grundbedürfnis. Zoom oder WebEx ermöglichen visuelle Kommunikation auch in der Corona-Pandemie, Videoportale erlauben virtuelle Lehre, Netflix unterhält uns am Abend und eine medizinische Diagnose wird in den meisten Fällen erst auf der Grundlagelage einer vorherigen Bildsensorik mit beispielsweise Computertomographie oder Ultraschall durchgeführt.

Heute sind etwa 80% aller über das Internet übertragenen Daten Videodaten und die damit verbundenen Videodienste sind bereits für mehr als 1% der weltweiten CO2-Emmission verantwortlich. Daher forschen wir an energieeffizienter Videokommunikation, um die Umwelt zu entlasten.

André Kaup

Ressourcen zu schonen ist auch eine wesentliche Motivation oder die Entwicklung unseres multispektralen Kamera-Arrays, mit dessen Hilfe sich Kunststoffe zukünftig sortenrein trennen lassen.

 

Am LMS forschen noch zwei weitere Professoren: Prof. Kellermann und Prof. Belagiannis.

Das ist richtig. Mein Kollege Walter Kellermann forscht zudem an der Sprach- und Audiokommunikation und unser jüngst neu berufener Kollege Vasileios Belagiannis entwickelt neue Methoden zum maschinellen Lernen in der Signalverarbeitung. Diese lernbasierte Technik hat in den letzten Jahren zu ganz erheblichen Fortschritten in der Multimediakommunikation geführt und eröffnet ganz neue Anwendungsgebiete, wie beispielsweise Videocodierung für die maschinelle Datenanalyse.

 

Wenn ich als Student oder Studentin nun das Interview lese und die Themenbereiche sehr spannend finde – wie gelange ich denn in Kontakt mit dem Lehrstuhl? Gibt es bestimmte Studiengänge, die sehr häufig Lehrveranstaltungen am LMS besuchen und sich so auf die Themengebiete spezialisieren können?

Da freuen wir uns natürlich über das Interesse! Im Studium kommt man mit dem Lehrstuhl in einer ganzen Reihe von Studiengängen an der Technischen Fakultät in Kontakt. Mit den grundlegenden Veranstaltungen über Signale und Systeme sind wir in vielen Bachelorstudiengängen im dritten und vierten Semester vertreten, insbesondere in Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik, Informations- und Kommunikationstechnik, Medizintechnik, Wirtschaftsingenieurwesen und Elektromobilität – ACES.

Weiterführende Veranstaltungen wie Digitale Signalverarbeitung oder Maschinelles Lernen sind Bestandteile viele Masterstudiengänge, neben den zuvor genannten zusätzlich Communications and Multimedia Engineering sowie dem Elitestudiengang Advanced Signal Processing and Communications Engineering. Daneben bieten wir eine Fülle von themenspezifischen Lehrveranstaltungen, Praktika und Seminaren an und natürlich vielfältige Möglichkeiten für Forschungspraktika, Projekt-, Bachelor- und Masterarbeiten.

 

Verraten Sie uns zum Abschluss doch noch: wie müssen wir uns Ihren Alltag als Lehrstuhlinhaber so ganz allgemein vorstellen?

Als Lehrstuhlinhaber ist man täglich mit einer hochspannenden Mischung aus Lehre, Forschung und Verwaltung beschäftigt. Persönlich macht mir die Lehre wegen des unmittelbaren Kontakts zu den Studierenden besonders viele Spaß. Diese honorieren unseren Einsatz regelmäßig mit sehr guten Bewertungen in der studentischen Evaluation und dafür durfte ich vor kurzem auch den Preis für gute Lehre vom bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst entgegennehmen. Die Forschung hingegen ist meine Leidenschaft und ermöglicht neue Erkenntnisse sowie spannende Verbindungen zu Partnern in der Industrie und anderen Forschungseinrichtungen. Die meiste Zeit, befürchte ich, verbringe ich allerdings mit administrativen Aufgaben – die dann wiederum meinen Mitarbeitenden und den Studierenden das Forschen und Lernen ermöglichen.

 

Lieber Herr Kaup, vielen Dank für dieses spannende und informative Interview!

 

Kunststoffe sortenrein sortieren

Wie im Interview erwähnt, nimmt die Forschungsfrage, wie wir schonend mit unseren Ressourcen umgehen, eine immer wichtigere Rolle ein. Ein Forschungsprojekt am LMS beschäftigt sich mit der Frage, wie Kunststoffe sortenrein sortiert werden können. Wie genau das funktioniert, erklärt Frank Sippel vom LMS in diesem Video aus der beliebten Reihe 2 Minuten Wissen.