#Forschungsspecial: Julian Dahlmann ist der Herr der Fahrzeuggespanne

Julian Dahlmann (Bild: LRT)
Julian Dahlmann (Bild: LRT)

Mit #Forschungsspecial bieten wir Doktorandinnen und Doktoranden unseres Departments die Möglichkeit, ihre Forschungsthemen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Für unsere Osterausgabe besuchen wir Julian Dahlmann am Lehrstuhl für Regelungstechnik (LRT).

 

Kurzinfo:

Name: Julian Dahlmann

Lehrstuhl: Lehrstuhl für Regelungstechnik (LRT)

Forschungsgebiet:  Trajektorienplanung für automatisiertes Rangieren von Fahrzeuggespannen

 

Lieber Herr Dahlmann, könnten Sie uns ein bisschen was über sich erzählen? Was haben Sie studiert, bevor Sie hierher an die FAU gekommen sind?

Zuerst habe ich Elektrotechnik an der DHBW Ravensburg in Kooperation mit der MTU Friedrichshafen studiert. Anschließend startete ich gemeinsam mit meinem Bruder das Masterstudium an der FAU – das war bei mir wieder die Elektrotechnik mit Fokus auf Automatisierungstechnik.

 

Was hat Sie denn zu dieser Studienentscheidung bewogen?

Einerseits hat mir das technische Gymnasium eine grobe Richtung gezeigt. Zu Beginn meines Studiums war ich dann noch gar nicht so sicher, ob ich die richtige Wahl getroffen habe. Erst als ich eine Idee für mein erstes Elektrotechnik-Hobbyprojekt im Kopf hatte, was ein Kommilitone liebevoll mit: „[…] aber das schaffst du eh nicht“ kommentierte, war mein Ehrgeiz richtig geweckt. Seitdem konstruiere, bastle und baue ich bis heute alles was mir in den Sinn kommt (lacht).

 

Das nenne ich motivieren! Was haben Sie denn schon alles gebaut?

Neben meinem Bachelorstudium an der DHBW Ravensburg habe ich mich in einem studentischen Projekt im Rahmen der Formula Student ausgetobt (Anmerkung der Redaktion: Auch an der FAU gibt es ein solches studentisches Projektteam). An unserem elektrischen Rennwagen war ich verantwortlich für verschiedene Komponenten der Fahrdynamikregelung. Heute würde ich über mich selbst sagen, dass mein „früheres Ich“ wohl völlig ahnungslos war und ich einfach gut im „murksen“ war – aber irgendwie hat es … fast … immer … irgendwie … halbwegs funktioniert (lacht).

 

Wie kam es dann nur Dissertation und zum Doktorandendasein?

Ich habe alle meine studentischen Arbeiten am Lehrstuhl für Regelungstechnik geschrieben und mich am Lehrstuhl immer wohl gefühlt. Ich hatte damals nicht geplant zu promovieren, da ich meine Stärken in der Praxis sehe. Als Professor Graichen den Lehrstuhl übernahm, bemerkte ich, mit welcher Dynamik sich der Lehrstuhl verwandelte und dass es nun auch praxisnahe Forschungsschwerpunkte gab. Ich bekam ein Angebot für ein Forschungsthema, bei dem ich sofort wusste, dass es kaum besser passen könnte.

Es fasziniert mich, dass man einem leblosen Mikrocontroller befehlen kann, was er tun soll und wenn man alles richtigmacht, tut er genau das, sein Leben lang! Mit Hilfe der Regelungstechnik können wir dann komplexe technische Systeme dazu bringen, das zu tun, was wir erzielen möchten. Weiterhin fasziniert mich daran, dass man in vielen Bereichen das menschliche Gehirn mit Leichtigkeit übertreffen kann und in anderen die menschliche Leistung unübertroffen ist.

 

Wie genau lautet denn Ihr Thema und was muss man sich als Laie darunter vorstellen?

Ich forsche seit 3,5 Jahren an dem Thema „Trajektorienplanung für automatisiertes Rangieren von Fahrzeuggespannen“. Ich erkläre es am besten so: Meine Algorithmen berechnen im schlimmsten Fall, wie man mit einem Fahrzeug mit beliebig vielen Anhängern in einem Labyrinth optimal von A nach Z kommt. In der Praxis sind es meist nicht mehr als drei Anhänger und die Umgebungen sind harmloser als ein Labyrinth, aber die notwendigen Algorithmen sind identisch.

Der Versuchsaufbau (Bild: LRT)

Besonders spannend ist für mich, wie unterschiedlich die Gespanne und speziell die Anhänger auf unseren Straßen sind. Das macht das Rangieren sehr herausfordernd: Will ich mit einem Auto ohne Anhänger rückwärts eine Linkskurve fahren, so lenke ich nach links. Mit einem Anhänger lenke ich erst nach rechts und dann nach links, um ein ähnliches Manöver zu fahren. Mit zwei Anhängern erst nach links, dann nach rechts und schließlich wieder nach links. In den USA gibt es häufig sogar Gespanne mit drei Anhängersegmenten (in der EU als Gigaliner eher ein Sonderfall) und an Flughäfen und industriellen Werkshallen findet man noch längere Gespanne. Kaum vorstellbar, wie schwer es wäre, solche Gespanne rückwärts zu fahren.

Ich hoffe, dass meine Forschung den Fahrer oder die Fahrerin beim Rangieren unterstützt und so längere Gespanne in der Praxis verwendet werden können, was die Arbeit der Menschen erleichtert. Die Verwendung mehrerer Anhänger pro Zugmaschine kann den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen reduzieren. Außerdem machen autonome Transportsysteme die Prozesse in industriellen Anlagen effizienter, agiler und sicherer.

 

Ich glaube, das hat nun einige Erinnerungen an die Zeit in der Fahrschule geweckt. Wie muss man sich die Arbeit an Ihrer Dissertation aber tatsächlich vorstellen? 

Natürlich ist die Literaturrecherche essentiell in der Forschung. In meinem Forschungsgebiet gibt es allerdings bis heute Fragestellungen, die nicht oder nur gering untersucht und gelöst wurden. Unsere Ergebnisse testen wir dann auch auf unserem Versuchsträger im Labor. Da ist auch jeder herzlich eingeladen, den Truck mit seinen zwei Anhängern mittels Fernsteuerung zu manövrieren – das ist gar nicht so leicht!

 

Das glaube ich gerne! Wie würden Sie sonst so Ihren Doktorandenalltag beschreiben?

Neben der hohen Praxisnähe gibt es viele Parallelen zum späteren Berufsleben – beispielsweise, dass wir Urlaub statt Ferien haben oder dass wir ein faires Gehalt bekommen. Leider ist das in der Wissenschaft nicht immer selbstverständlich. Da haben wir in den Ingenieurwissenschaften wirklich eine Luxussituation.

An unserem Lehrstuhl fand ich es immer besonders spannend, weil mir in 3,5 Jahren niemand vorgeschrieben hat, welche Wege ich in meiner Forschung einschlagen soll. Natürlich stelle ich meine Ergebnisse und Probleme regelmäßig meinen Kollegen und Vorgesetzten vor und werde von ihnen fachlich beraten – aber welchen Weg die Reise zu meiner Dissertation annimmt, durfte ich selbst entscheiden.

Ja, eine Dissertation ist viel Arbeit und es gibt etliche Höhen und Tiefen, aber, wenn man den Weg selbst mitgestalten kann, verliert man nie aus den Augen, dass man es am Ende für sich selbst schaffen will.
Julian Dahlmann

 

Das ist ein wundervolles Schlusswort. Ganz herzlichen Dank für dieses interessante Interview!

 

PS: Dies ist der Videobeitrag zum erwähnten Versuchsaufbau:

 

TCST Laboratory Example