Lehrstuhl-Special: Der Lehrstuhl für Leistungselektronik (LEE)

Prof. März vom Lehrstuhl für Leistungselektronik (LEE)
Prof. März vom Lehrstuhl für Leistungselektronik (Bild: März)

In unserem Lehrstuhlspecial stellen wir in jeder Ausgabe unseres Newsletters einen der Lehrstühle unseres Departments und den jeweiligen Lehrstuhlinhaber vor. Zum Start des Wintersemesters haben wir Prof. Martin März, Inhaber des Lehrstuhls für Leistungselektronik, interviewt.

Kurzinfo:

Name: Martin März

Lehrstuhl: Lehrstuhl für Leistungselektronik (LEE)

Forschungsgebiet: V.a. nachhaltige dezentrale Energiesysteme und nachhaltige Mobilität

 

Lieber Herr März, bevor wir uns dem Lehrstuhl und der Forschung widmen – könnten Sie uns ein bisschen über sich erzählen? Sie sind ein echtes Erlanger Eigengewächs, stimmt das?

Ja, ich habe hier in Erlangen Elektrotechnik studiert und am Lehrstuhl für Hochfrequenztechnik (LHFT) promoviert, komme also eigentlich aus der Hochfrequenz- und Lasertechnik. Thema meiner Promotion war die Mikrowellenanregung von CO2-Lasern. Da aber auch beim Bau von Lasern Hochspannungsnetzteile, Generatoren, etc. benötigt wurden, erwies sich die Leistungselektronik schon damals als ein überaus nützliches „Hobby“. Mit dem Berufseinstieg bei Siemens Halbleiter in München (heute Infineon AG) konnte ich dann dieses Hobby glücklicherweise zum Beruf machen.

 

Was genau fasziniert Sie an Ihrem Fachgebiet?

Das ist die ungeheure Breite an Anwendungen und an Herausforderungen. Letztere reichen von der Schaltungs- und Regelungstechnik, über Themen der Hochfrequenztechnik und elektromagnetischen Verträglichkeit, Fragen der mechatronischen Integration, des thermischen Managements und der Fertigungstechnik bis hin zu dem weiten Feld der Werkstoffeigenschaften und Zuverlässigkeitsthemen – ein klassisches interdisziplinäres Fach eben.

Und was die Leistungselektronik auch so interessant macht: Am Ende steht zumeist was handfestes „zum Anfassen“. Es macht einfach großen Spaß seine Entwicklungen, z.B. in einem Fahrzeug, selbst erproben und dabei Leistung auch mal hautnah spüren zu können, oder einem Industriepartner dabei helfen zu können, Spezifikationen, die zuvor unerreichbar schienen, zu erfüllen.

 

Wie ging es dann nach der Station in München weiter?

Nach dieser tollen und sehr wichtigen Erfahrung in der Industrie bin ich im Jahr 2000 in die Forschung zurückgekehrt, als Abteilungsleiter am heutigen Fraunhofer IISB, hier auf dem TechFak Südgelände, und habe an diesem bis dato reinen Halbleiterinstitut den neuen Institutsteil „leistungselektronische Systeme“ aufgebaut, ab 2012 als stv. Institutsleiter. Im Jahr 2016 wurde ich dann auf den neu gegründeten Lehrstuhl für Leistungselektronik der FAU berufen. Die sehr enge Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IISB besteht aber natürlich weiterhin und ist eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Heute ist unser Erlanger Leistungselektronik-Cluster eines der größten Forschungszentren für Leistungselektronik in Europa.

Der Lehrstuhl für Leistungselektronik wurde als erster aus dem Energie Campus Nürnberg (EnCN) entstandener Lehrstuhl des Departments EEI gegründet und hat seinen Sitz am EnCN in Nürnberg, auf dem ehemaligen AEG-Gelände in der Fürther Straße. Aktuell hat er 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dazu kommen 41 externe Doktorandinnen und Doktoranden, überwiegend am Fraunhofer-IISB.

 

Wie muss man sich denn so den typischen Tag als Lehrstuhlinhaber vorstellen?

 Es gibt nicht den typischen Arbeitstag, dazu ist der Job viel zu abwechslungsreich. Für jemanden, dem der Kontakt mit Studierenden, die Wissensvermittlung, Lehre und Forschung, das Tüfteln und Erfinden Spaß macht, der empfindet das aber gar nicht als „Job“. Und wenn man dann seine Ideen in einem solchen Umfeld wie hier in Erlangen mit Begeisterung und Leidenschaft umsetzen kann – und quasi für´s Hobby auch noch bezahlt wird – dann empfinde ich das schon als Privileg.

Ein großer Wermutstropfen sind natürlich die Verwaltungsaufgaben und Bürokratie – dafür ist das Gehalt wohl eher Schmerzensgeld … (lacht)

 

Könnten Sie uns ein wenig über die Forschungsschwerpunkte am Lehrstuhl erzählen? Wo findet man diese Forschungsthematik beispielsweise im Alltag wieder?

Es ist heute praktisch unmöglich der Leistungselektronik zu entkommen, sie umgibt uns, zumeist unbemerkt, überall im Alltag: ob in Form des Handy-Ladegerätes oder in Haushaltsgeräten, ob in E-Bikes oder Elektroautos, in PV- oder Windkraftanlagen. Immer dann, wenn elektrische Energie erzeugt, transportiert oder verbraucht wird, sorgt Leistungselektronik dafür, daß diese Energie in der jeweils benötigten Form zur Verfügung steht.

Die meisten Forschungsthemen am Lehrstuhl drehen sich um die Schwerpunkte nachhaltige dezentrale Energiesysteme und nachhaltige Mobilität.

Gleichspannungsnetze, beispielsweise, erlauben eine deutlich kostengünstigere und energieeffizientere Nutzung von regenerativen Stromerzeugern einschließlich der Einbindung verschiedenster Speichertechnologien, im Vergleich zum traditionellen Wechselspannungsnetz. Für diese DC-Netze entwickeln wir unter anderem Systemkomponenten, Schutztechnik und Methoden zur Stabilitätsanalyse.

 

Aktuelle Themen im Bereich der Elektromobilität sind das DC-Schnellladen und das elektrische Fliegen. Gerade das elektrische Fliegen ist für Ingenieurinnen und Ingenieure ein faszinierendes Gebiet mit völlig neuen Herausforderungen. Die Kühlung von Leistungselektronik und elektrischen Maschinen mit dem als Treibstoff an Bord verfügbaren flüssigen Wasserstoff, beispielsweise, erlaubt eine drastische Verbesserung von Wirkungsgrad und Leistungsdichte von Antrieben und damit eine Senkung des in der Luftfahrt so entscheidenden Systemgewichts. Auf dem Weg zu einer Kryo-Leistungselektronik betreten wir jedoch Neuland auf breiter Front, von der Schaltungstechnik über notwendige neuartige Aufbau- und Integrationskonzepte bis hin zu Material- und Zuverlässigkeitsfragestellungen.
Martin März

 

 

Das klingt sehr spannend! Wenn ich nun an der FAU studiere, wann komme ich in meinem Studium denn mit dem Lehrstuhl und der Forschungsarbeit in Kontakt? Geschieht das schon auf Bachelor-Niveau oder bietet der Lehrstuhl eher Spezial-Vorlesungen auf dem Master-Level an?

Nachdem die Grundlagenvorlesung Leistungselektronik Teil des Kernmodulkatalogs vieler Vertiefungsrichtungen im Studiengang Elektrotechnik ist, dürfte diese Lehrveranstaltung im Bachelor für die meisten Studierenden der erste Kontakt zum Lehrstuhl LEE sein. EEI-Studierende machen geschätzt etwa 40% unserer Studierenden aus, etwa 30% sind Mechatroniker und je 15% Energietechniker sowie Wirtschaftsingenieure, der kleine Rest verteilt sich auf diverse andere Studiengänge.

Eine gewisse Hürde für Studierende ist zweifellos unsere Lage als „Exklave“ in Nürnberg, die gerade in den Vorlesungszeiträumen ein „zwischen den Vorlesungen schnell mal am Lehrstuhl vorbeischauen“ unmöglich macht. Hier haben wir jedoch durch die sehr enge Kooperation mit dem Fraunhofer IISB das große Glück, Betreuung, Laborarbeitsplätze und vielfältige HiWi-Jobs auch direkt auf dem Südgelände anbieten zu können.

 

 

Lieber Herr März, vielen Dank für den spannenden Einblick und herzlichen Dank für das Interview!

 

Aktuelle Forschungsprojekte

Schon gewusst? Neben zahlreichen Einzelprojekten ist der LEE auch an mehreren Großprojekten beteiligt, wie uns Prof. März erzählt:

  • Auf den beiden Gebieten Luftfahrt und DC-Netze sind wir insbesondere in großen EU-Projekten aktiv. Die Projekte NENUFAR (Next gEneration of eNergy storagE solUtions For more electricAl aiRcrafts) und GENESIS, beispielsweise, sind Teil des Clean Sky Programms der EU, dem größten europäischen Forschungsprogramm zur Entwicklung innovativer Technologien zur Reduzierung der CO2– und Lärmemissionen von Flugzeugen. Clean Sky wird mit einem Budget von 4 Mrd. Euro gefördert und umfasst 600 teilnehmende Einrichtungen aus 24 Ländern, darunter der Lehrstuhl für Leistungselektronik als Vertreter der FAU. Im Projekt GENESIS arbeiten wir mit neun Partnern in einem europäischen Konsortium aus Industrie und Forschung daran, einen Technologie- und Nachhaltigkeitsfahrplan für den Übergang zu umweltverträglichen und wettbewerbsfähigen Flugzeugsystemen zu erarbeiten. Dies erfolgt beispielhaft anhand von Konzeptdesigns für vollelektrische und hybride 50-PAX-Regionalflugzeuge. Es werden alternative Antriebsstrangkonzepte untersucht, mit Turbinen, Batteriespeichern und Brennstoffzellen sowie Hybridkombinationen davon. Für jede Komponente und jeden relevanten Technologieprozess innerhalb des Flugzeuglebenszyklus – von der Ressourcengewinnung über die Herstellung und Nutzung bis zum Lebensende – werden Lebenszyklusanalysen (Ökobilanzen) erstellt und dazu verwendet, um prospektive Lebenszyklusbewertungen zukünftiger Flugzeugkonfigurationen durchzuführen.

 

  • Ein anderes EU-Projekt PROGRESSUS umfasst 22 Partner aus 5 Ländern (Deutschland, Italien, Niederlande, Spanien und Slowakei). Im Rahmen dieses Projekts arbeiten wir an bidirektionalen Ladesäulen mit integrierten Speicherbatterien, die zu einem Mikronetz (Micro Grid) zusammengeschlossen werden können.

 

  • Als letztes Beispiel mag das Projekt DC|hyPASim dienen, mit dem wir gemeinsam mit dem auch „auf AEG“ ansässigen Lehrstuhl FAPS im letzten Jahr die AiF-Ausschreibung für Leittechnologieprojekte gewinnen konnten.Ziel dieses Projekts mit den beiden Teilprojekten DC|hyPATwin (FAPS) und DC|hyPAMod (LEE) ist die digitale Abbildung, Simulation und Inbetriebnahme von hybriden AC/DC-gespeisten Produktionsanlagen kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU). Der Fokus am Lehrstuhl LEE liegt dabei auf der elektrischen Simulation des DC-Netzverbunds und dessen Zusammenspiel mit dem AC-Netz.