Lehrstuhl-Special: Der Lehrstuhl für Elektrische Smart City-Systeme (ESCS)

Prof. Norman Franchi (Bild: Privat)
Prof. Norman Franchi (Bild: Privat)

In unserem Lehrstuhlspecial stellen wir in jeder Ausgabe unseres Newsletters einen der Lehrstühle unseres Departments und den jeweiligen Lehrstuhlinhaber vor. Im August präsentieren wir einen sehr jungen Lehrstuhl – den Lehrstuhl für Elektrische Smart City-Systeme und seinen Lehrstuhlinhaber, Prof. Norman Franchi.

Kurzinfo:

Name: Norman Franchi

Lehrstuhl: Lehrstuhl für Elektrische Smart City-Systeme (ESCS)

Forschungsgebiet: Entwurf von sicheren, resilienten, echtzeitfähigen und nachhaltigen Kommunikations-, Edge-Cloud- und Extended-Reality-Systemen

 

Lieber Herr Franchi, seit letztem Jahr sind Sie Professor an der FAU. Gab es denn schon vorher Verbindungen hierher nach Erlangen?

Ich habe selbst EEI an der FAU studiert (Studienrichtung Automatisierung) und dort dann später auch, im Bereich der Mikroelektronik mit nachrichtentechnischer Ausprägung, promoviert.

Nach meinem Studium habe ich zunächst in der Automobilindustrie (u.a. für Continental und die iSyst Intelligente Systeme GmbH) gearbeitet und dort auch bereits in den Bereichen R&D geforscht, bevor ich dann an der FAU (am Lehrstuhl für Technische Elektronik, Prof. Robert Weigel) promovierte.

Danach ging ich an die TU Dresden, wo ich als Senior-Forschungsgruppenleiter am Vodafone Stiftungslehrstuhl (Prof. Gerhard Fettweis) zu den Grundlagen sowie deren Erprobung in anwendungsnahen Testfeldern (zusammen mit der Industrie) in den Bereichen 5G-Kommunikations- und Edge-Cloudtechnologien für öffentliche und private 5G-Netze sowie „Tactile Internet“ forschte. Daraus entstanden vier Forschungsgruppen an der TU Dresden. Zudem durfte ich beim Aufbau einer Forschergruppe an der University of California, Berkeley, zum Fachbereich „Tactile Internet“ wie auch dem Aufbau des 5G Lab Germany maßgeblich mitwirken.

Aus meinen Forschungsarbeiten heraus habe ich dann an der Gründung von zwei Start-ups mitgearbeitet. In einem davon (5G Lab gGmbH) habe ich zunächst als Wireless Expert mitgewirkt, bevor ich die Firma anschließend dann auch als Geschäftsführer geleitet habe. Im Anschluss habe ich dann 2020 zusammen mit zwei Mitgründern ein eigenes Technologie-Start-up (Advancing Individual Networks GmbH) für 5G-Campusnetze gegründet, bevor ich dann im Juni 2021 an die FAU wechselte und die Leitung des Lehrstuhls für Elektrische Smart City Systeme übernommen habe.

Dann reden wir hier ja von einem wirklich jungen Lehrstuhl.

Ja, der ESCS ist Teil des Nuremberg Campus of Technology (NCT) und er existiert seit bzw. mit meinem Amtsantritt am 01. Juni 2021. Unser Team umfasst aktuell 14 Personen und wir werden in den kommenden Monaten auf über 20 Personen wachsen.

Und wie müssen wir uns Ihren Alltag als Lehrstuhlinhaber vorstellen?

Als Lehrstuhlinhaber ist man eigentlich durchgängig Impulsgeber, Motivator, Vorbild, Mentor, Gutachter und Manager in den Bereichen Forschung, Lehre und auch Verwaltung für das eigene Team am Lehrstuhl, für die Studierenden, aber auch in gewissem Maße für Dritte (wie z.B. Industriepartner, Politik, Verbände, etc.), die alle ganz genau zuhören, was man sagt und die einem ihr Vertrauen schenken. Hinzu kommt die enge und kollegiale Zusammenarbeit mit anderen FAU-Kollegen wie auch Forschern anderer Universitäten und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen an neuen Forschungsfragestellungen weltweit. Das ist jeden Tag viel Verantwortung und gleichzeitig ein so tolles Privileg mit schier unendlich vielen inhaltlichen Gestaltungsfreiheiten, wie es meines Erachtens nur der Beruf eines Professors und auch Lehrstuhlinhabers ermöglicht, weshalb ich mich jeden Morgen aufs Neue freue ans Werk zu gehen.

Könnten Sie uns ein wenig die Forschungsthemen des ESCS erläutern?

Der Lehrstuhl widmet sich in der Forschung dem Entwurf von sicheren, resilienten, echtzeitfähigen und nachhaltigen Kommunikations-, Edge-Cloud- und Extended-Reality-Systemen, die für die Gestaltung und Realisierung zukünftiger Smart Cities und Regionen sowohl für den Lebens- wie auch den Arbeitsraum entscheidend sein werden. Wichtige Schwerpunkte sind dabei die Systemmodellierung unter Co-Design-Aspekten (d.h. die gemeinschaftliche Modellierung und Optimierung von Mobilitäts-, Energie-, Sensor-, Informations-, Vernetzungs- und Regelungssystemen), Connected Mobility, MODEM- und Kommunikationsmodul-Design, die Integrität von IoT-Geräten und IoT-Anwendungen sowie die hardwarenahe Umsetzung und Erprobung entsprechender IoT-Elektronikkomponenten. Dabei spielen die Technologien 6G, 5G, WiFi 6, LPWAN, C-V2X, ITS-G5, M2M, Campusnetze, Mobile Edge Cloud sowie Embedded Control Systems eine wichtige Rolle.

Gerade in der Erforschung der technischen Grundlagen wie auch Anwendungen der 6. Mobilfunkgeneration (6G), deren Einführung ca. 2030 erwartet wird, spielt der Lehrstuhl in Deutschland eine wichtige Rolle und ist in einer Vielzahl an öffentlich geförderten Forschungsprojekten (wie bspw. dem Open6GHub, der 6G-Plattform Deutschland oder dem Deutsch-Europäischen Industrie-Leuchtturmprojekt 6G-ANNA), auch in verantwortlicher Rolle, aktiv.

Welche Rolle spielt dieses Forschungsgebiet denn in unserem Alltag?

Bereits heute leben wir in einer Welt, aus der die Vernetzungs- und Cloudtechnologien nicht mehr wegzudenken sind. Smartphones, Tablets, Wearables, Smart Home und WiFi-Hotspots und Vielzahl an Clouddienstleistern waren erst der Anfang. Sehr bald werden weltweit – Prognosen zufolge – mehr als 50 Mrd. Geräte ans Internet angeschlossen sein. Darunter eine massiv große Anzahl von Sensoren (z.B. in der Kleidung, Medizintechnik, Landwirtschaft, Fertigung oder in der Stadt zur Umwelterfassung), Augmented-, Mixed- und Virtual-Reality-fähige Geräte (z.B. AR/MR/VR-Brillen, intelligente Fensterscheiben, Fahrzeugdisplays oder Diagnosegeräte), bemannte wie auch unbemannte Fahr- und Flugzeuge (z.B. Land- und Baumaschinen, Feldroboter, Drohnen, etc.), neue Verkehrsinfrastrukturen (z.B. zur Unterstützung von Autonomem Fahren und Flugtaxis) und hochleistungsfähige Rechner (Edge Clouds), die flächendeckend und damit aus Nutzersicht direkt lokal für das Ausführen von Softwareanwendungen zu Verfügung stehen.

Betrachtet man diese Entwicklung in Kombination mit anderen aktuellen Prognosen, die aufzeigen, dass in ca. 25 Jahren (und das ist der Zeithorizont in dem Forscher im Bereich der Ingenieurwissenschaften oft realistisch gesehen maximal denken können) knapp 70% der Weltbevölkerung in Städten leben werden, so wird schnell klar, dass gerade Städten und darum liegende Regionen eine große Bedeutung in Hinblick auf die Herausforderungen bei der Vernetzung zukommen wird. Gleichzeitig müssen die Städte und die dort zur Anwendung gebrachten Technologien „grüner“, nachhaltiger, intelligenter, sicherer und resilienter (ausfallsicherer) gedacht und gestaltet werden, was vor allem die Energie-, Mobilitäts- und Industrienetze einbezieht, die gerade mit dem Umschwung hin zu elektrischen Energie- und Antriebssystemen auf Basis von erneuerbaren Energien konfrontiert sind. Hinzu kommt auf der anderen Seite, dass heute noch knapp 3 Mrd. Menschen auf der Erde aufgrund fehlender technischer Lösungen nicht ans Internet angebunden sind.

Unsere Forschung trägt dazu bei, für herausfordernde Umgebungen bzw. Lebensräume intelligente und verlässliche Vernetzungslösungen zu analysieren und zu entwickeln.

Norman Franchi

 

Wenn ich mich als Student oder Studentin für diese Themen begeisterte, wie und wann, also auf welchem Studienlevel, komme ich mit den Lehrveranstaltungen des ESCS in Kontakt?

Das geht auf sehr vielfältige Weise. Unsere Lehrveranstaltungen richten sich vornehmlich an Bachelor in höheren Fachsemestern und an Masterstudierende.Relevante Studiengänge für die Schwerpunkte des Lehrstuhls sind Elektrotechnik/EEI , Informations- und Kommunikationstechnik, Elektromobilität-ACES, Mechatronik, Wirtschaftsingenieurwesen (mit Schwerpunkt Elektrotechnik), Computational Engineering, Informatik, und Medizintechnik. In den reinen Masterstudiengängen kommen Artificial Intelligence und  Communications and Multimedia Engineering hinzu.

Wir bieten aktuell zwei und ab WS 2022/23 dann drei Vorlesungen mit Übungen für verschiedene Studienrichtungen (Informationstechnik, Mikroelektronik, elektrische Energie- & Antriebstechnik und allgemeine Elektrotechnik) und -gänge an. Hierzu gehören die Vorlesungen „Drahtlose Automobilelektronik (DAE)“, „Schaltungen und Systeme der Übertragungstechnik (SSÜ)“ und „Digital Transformation in the Energy and Mobility Sector“. Alle Vorlesungen sind für Bachelor- wie auch Masterstudierende verfügbar. Zudem werden aktuell die drei Seminare „Smart City: Technologien und Systeme (TuS)“, „Entwurf zuverlässiger drahtloser Netze (EZN)“ und „Joint Communications and Sensing in Wireless Systems (JCAS)“ angeboten.

Perspektivisch soll dann im Rahmen des neuen Studiengangs „Autonomy Technologies“ auch die Vorlesung mit Übungen „Grundlagen der Elektrotechnik (GET I)“ mit dazugehörigem Praktikum jeweils in englischer Sprache angeboten werden.

Außerdem wollen wir am Nuremberg Campus of Technology (NCT) ein Lehr- und Lernlabor Elektrische Smart City Systeme aufbauen, um für Studierende eine hautnahe Lern- und Experimentierumgebung zum Entwurf von Smart City Systemen zu schaffen.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie sind Sie auf Ihr Themengebiet innerhalb der Elektrotechnik gekommen? Was genau fasziniert Sie daran?

Ich war von je her daran interessiert zu verstehen, wie Technik und Innovationen aus der Wissenschaft und Lehre entstehen können, die später in der Umsetzung unser aller Leben maßgeblich – wenn auch manchmal fast unbemerkt – beeinflussen. Um die dafür notwendigen Mechanismen nachvollziehen und später auch zielgerichtet selbst mitgestalten zu können, ist meines Erachtens das Aneignen und Analysieren eines Systemverständnisses essenziell. Denn erst dies ermöglicht einem selbst, disziplinübergreifende Zusammenhänge, Abhängigkeiten, Trade-offs, Optimierungschancen und vor allem auch Grenzen zu erkennen. Die Ausrichtung und gleichzeitig Freiheit meines Lehrstuhls ermöglicht mir genau dieses Systemverständnis und die dazugehörigen Skills tagtäglich anzuwenden, in der Forschung auszubauen und vor allem in der Lehre und innerhalb des Lehrstuhls an den Nachwuchs an Ingenieur*innen weiter zu vermitteln. Das ist es, was mich an meinem Themengebiet und meinem Beruf so fasziniert.

Lieber Herr Franchi, vielen Dank für den spannenden Einblick und herzlichen Dank für das Interview!

Aktuelle Forschungsprojekte

Schon gewusst? Der ESCS ist momentan an mehreren Großprojekten beteiligt: